ein wiedersehen


das schlafende gartenschlösschen vor dem stadttor hatte ich in den 80er jahren entdeckt und war sofort fasziniert. aus ursprünglich barockem glanz war es zu einer kleinbürgerwohnung geworden. meine fotos sind von damals.







nach dem tod der letzten bewohner blieb es leer stehen, die überforderten erben nutzten nur noch das gartenhäuschen und die obstbäume.



das innere war noch unverändert möbliert, als ich es einmal mit dem eigentümer besichtigte.



Im obergeschoss gab es einen mittelsaal und 3 kabinette mit prächtigem bandelwerkstuck, die vierte ecke belegte das treppenhaus. es war alles in einem zwar schadhaften, aber weitgehend vollständigen originalen zustand, fenster mit historischer bleiverglasung (von 1720), und schönen beschlägen, zweiflüglige innentüren, die grüngestrichenen läden harmonierten mit dem dunklen braunton der handgestrichenen bemoosten dachziegel.



leider kam es damals nicht zu der geplanten studienarbeit.
um 1990 war dann der abriss zu gunsten der neuen umgehungsstrasse beschlossen, was dann doch am wiederstand der denkmalpfleger scheiterte.




hier auf einer historischen aufnahme

ein Investor erwarb das anwesen, begann mit einer aussensicherung, scheiterte jedoch an den auflagen des denkmalschutzes, die nach einer zwangsversteigerung im zweiten anlauf von einem neuen eigentümer abgewehrt werden konnten. dazwischen fortdauernder leerstand und vandalisierung im inneren.



gestern auf der rückreise einmal von der umgehungsstrasse abgefahren und nachgesehen: das haus steht noch, auch in seinen noblen proportionen, aber die stimmung und die gestaltung der umgebung hat sich den angrenzenden gewerbegebieten angeglichen, der zauber ist fort. alle historischen oberflächen sind beseitigt, die historischen fenster und läden durch kopien ersetzt, die handgestrichenen Dachziegel sind ebenso verschwunden wie die alten obstbäume im rasen, ein der rendite geschuldeter containeranbau wuchert auf der seite.



die amtliche denkmalpflege hat vermutlich ihr möglichstes versucht, aber ohne einen sensiblen bauherrn und architekten kommt eben nicht mehr heraus. die innenraumfotos im internet versprechen die kühle beliebigkeit internationalen restaurantstandards, ebenso glatt wie die stranggepressten glasierten dachziegel.



obwohl das haus gerettet wurde, ist es doch verloren. ohne poesie, ohne alterswerte. eine gute gewerbeimmobilie, zweifellos.
gestern geschlossen, das innere vielleicht bei der nächsten reise angelegentlich einer kaffeepause.





wasnou am 19.Feb 14  |  Permalink
Vermutlich wirkte es selbst im Neubautzustand nie so NEU wie jetzt :-/
Was unterscheidet ein "richtig" reastauriertes Haus von diesem. Warum wirkt es nicht wirklich schön? Fehlt ihm quasi die Shabby Chicness?
Aber ist eine solche Bewertung nicht immer abhängig von einem bestimmten Wertesystem oder eigenen Position und damit Perspektive zu der man im Laufe seines Lebens gelangt?

Oder wurde der Bauher von seinem Architekten schlichtweg nur schlecht beraten?
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