".... dann wird er eben abgerissen"

Der translozierte bergischer Gartenpavillon an der Pannerstraße

Die Schäden seien so groß, das sich eine Renovierung nicht mehr lohne. Hätten sich zwei Fachleute angesehen. Sanierungskosten bis zu 150.000 €. Für ein Ding, daß keiner braucht. So S. - Lokalpolitiker und Vorsitzender des VVV - auf Nachfrage. Der achteckige Pavillon hat einen Durchmesser von kaum mehr als drei Meter.
Der Abbruch sei ja auch gar kein Problem, steht nicht unter Denkmalschutz. Angeblich keine Denkmalsubstanz. Gehört auch niemanden. Das Gelände gehört zum Altenheim, dessen Betreiber hat aber mit dem Häuschen nichts am Hut, und schon gar kein Geld für sowas.

Das Gedächtnis der Stadt ist kurz. 1981 oder 82 hatte eine Bürgerinitiative mit kostenlosen Arbeitsleistungen heimischer Handwerker unter dem Dach des Verkehrs-und Verschönerungsverein und des Bürgervereins den Pavillon vor der endgültigen Zerstörung gerettet und umgesetzt. Mit viel gutem Willen, und nicht ganz soviel denkmalfachlicher Kenntnis. 2014 hat ein Maler kostenlos noch einmal Renovierungsarbeiten durchgeführt. Dem Vorsitzenden isses egal. Er plädiert für Abbruch, oder es soll sich abholen, wer will. Vorschläge für andere Standorte werden erbeten. Die "Soko Langenberg" soll sich mit dem Fall befassen.

Das macht neugierig. Da geh ich doch mal gucken: Eines von 8 Traufbrettern ist heruntergefallen, oder vielleicht sicherheitshalber abgerissen worden, weil Lebensgefahr, Verkehrsicherungspflicht, Haftungsfragen., man kennt das. Wenn da was passiert, wollen Sie etwa....


Klarer Fall von Totalschaden, kannste nur noch abreissen. Runtergefallenes Traufbrett.

Und sonst, nichts Besonderes. Der Fußweg hinter dem Häuschen ist mal neu gepflaster worden. Wie im Straßenbau üblich, interessiert man sich nicht für Randbedingungen, und baut gerne einen Belag auf den Vorigen, oder nutzt die Gelegenheit, Materialentsorgungen zu minimieren. (Nach der letzten Erneuerung der Straßendecke entlang meines Grundstücks lag sie teilweise 40 cm höher, obwohl angeblich nichts geänderter werden sollte.) Das ist bei Fachwerkbauten leider fatal, wenn irgendwann der Sockel völlig überschüttet ist. Hier also hat es ein Experte auch geschafft, das Gelände bis über die Unterkante der Schieferfassade aufzufüllen. Ob dadurch bereits ein Schaden entstande ist, ist von aussen nicht zu erkennen, die Wahrscheinlichkeit ist eher gering. Der Weg sollte auf jeden Fall wieder auf die richtige Höhe geändert werden. Da bei der Umsetzung die Idee war, daß die Bewohner des Altenheimes den Pavillon nützen könnten, hatte man den Sockel lediglich eine Stufe über das Gelände erhöht. Diese Reserve hat also keine 3o Jahre gegen den Unverstand der Nachwelt gereicht.


Der Pavillon am heutigen Standort. Das Ideal der autogerechten Stadt hatte auch hier lange oberste Priorität der Stadtplanung, Dreiviertel der Altstadt sollte abgebrochen werden in den 60er Jahren. Der Standort ist gut gemeint, wegen der Wahrnehmbarkeit im öffentlichen Raum, aber nicht wirklich eine Umgebung, um dort gerne zu verweilen. Die Sicht des Autofahrers und nicht eines Nutzers stand im Fokus.



Zur Denkmalsubstanz:
Bei der Umsetzung wurde das Fachwerk der Wände entkernt, und teilweise zerlegt, die verschieferten Haube im ganzen auf einen Tieflader gehoben, und am neuen Standort auf ein vorbereitetes Fundament wieder zusammengesetzt. Danach hat man die Wände neu bekleidet und die Fenster wieder eingesetzt, fehlendes ersetzt. Die Schmiedeeiserne Bekrönung der Haube wurde auch restauriert und wieder angebracht. Die Fenster sind möglicherweise zum Teil noch alt, jedenfalls nach dem Vorbild mit den originalen Drehstangenverschlüssen ausgeführt. Bei der Tür hat man auf alle Details verzichtet, und eine den Fenstern nachempfunden einfache Glastür eingebaut, welche durch den Drückerbeschlag in Pseudoschmiedeisen zusätzlich an Banalität gewinnt.


Die historische Tür hatte sogar beschnitzte Bekleidungsrahmen, und war als geschlossene Tür ohne Glas mit einem klassizistischen Bogenmotiv gestaltet (vergleichbar Haustür der "Planke"). Sie war zweiflüglig, so daß die sehr schmalen Türflügel auf die Wandflächen geklappt werden konnten, ohne im Weg zu sein, oder ein Fenster zu verdecken.




Der ursprüngliche Säulenportikus hatte die Vandalisierung auf der nach dem Brand des Hauptgebäudes als Parkplatz genutzten verwahrlosten Gelände nicht überstanden. Ein an der Umsetzung beteiligter Architekt vertrat die irrige Auffassung, der Portikus wäre eine unpassende Zutat aus späterer Zeit gewesen. Jetzt leidet die neue Tür unter dem Traufwasser, welches der alte Baumeister durch die Verdachung seitlich abgeleitet hatte. Eine Dachrinne äre hier ja ein Unding. Was ebenfalls fehlt ist die reizvolle Freitreppe von sechs Stufen, und der erhöhte Sandsteinsockel, war doch die Bachaue am Hardenberger Bach immer wieder durch Hochwasser gefährdet.



Zur Geschichte:
Die Stadt Langenberg hatte das Haus Kamperstraße 2, "Der Engel" mit Garten 1963 von der Inneren Mission erworben, und zunächst als Wohnungen vermietet. Die sogenannte Sanierungsplanung für Langenberg sah dann an dieser Stelle ein neues Ortszentrum vor, dementsprechend wurde der Bauunterhalt (trotz Eintragung in die Denkmalliste) unterlassen, mit Leerstand, Vandalismus und Plünderung in Folge.


im Hintergrund Haus "der Engel", bereits in städtischem Besitz verwahrlost und der Garten stark beschnitten.

Nach der Zusammenlegung mit Velbert wurde der Plan weiter verfolgt, das Haus abzureissen, um hier einen Neubau für die Sparkasse zu errichten. Nachdem Landeskonservator und Kreis Mettmann der Stadt mehrfach den Abbruch des Baudenkmals untersagt hatten, geschah ein Unglück. Brannte es doch eines Nachts lichterloh.



Glücklicherweise war ein Bagger zur Stelle um die Strassenfront einzureissen, so daß eine Gefährdung der Bevölkerung verhindert werden konnte..
Die Krininalpolizei konnte nicht umhin, auf Brandstiftung zu erkennen, wie die Bildzeitung berichtete.


Da ja Motive nicht erkennbar waren, gelang es auch nie, einen Täter zu ermitteln. Der Kreis verlangte die Wiederherstellung des Baudenkmals, konntes sich aber aus nicht näher bekannten Gründen nicht durchsetzen. Dem Bau der Sparkasse stand nun nichts mehr im Wege, als der Pavillon. Die Bürger organisierten seine Rettung, als es eigentlich schon zu spät war.

Aufnahme vor 1966
Noch in den 50er Jahren gehörte das idyllische Gartenhaus zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt und wurde in Bildebände der Region aufgenommen

1923 hatte Sophie Colsman den "Engel" mit Garten und einigen Vermögenswerten als Kernstück der Elisabethstiftung der Inneren Mission geschenkt. Er wurde als Altenheim bzw zeitweise auch als Geschäftstelle der Inneren Mission im Rheinland (bis zu deren Verlagerung nach Düsseldorf) genutzt.

Postkarte  Verlag Wilhelm Fülle Barmen

Die Wiederentdeckung der Bergischen Bauweise zeitgleich Gründung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz (mit eigener Ortsgruppe in Langenberg) 1906, führte zu einer Vielzahl von Publikationen und Forschungsarbeiten. Aus Langenberg gehörten die Gartenhäuser der Au und des Engel zu den häufigst verbreiteten Motiven. Hintergrund war die Erfahrung der starken Dezimierung der historischen Baukultur und die Landschaftserstörungen in der Phase der Hochindustrialisierung. Zugleich mit der Bestandsaufnahme war man bestrebt, im Sinne des Heimatstils eine neue Baukultur mit regionalen Bezügen zu entwickeln. (Das Gartenhaus in der Wiemerstrasse ist ein Beispiel des "Neubergischen Stils").


Der Engel, Gartenseite im 19. Jh. Der Kranbalken der Aufzugsgaube ist durch ein glockenförmiges Schieferdach geschützt, welches das Dach des Pavillons wiederholt.

Der Pavillon stand in dem verhältnismäßig kleinen rückwärtigen Gartengrundstück des Engel gegenüber dem Haupthaus, anders als sonst bis Ende des 18. Jh in Langenberg üblich grenzte der Garten hier bis ans Wohnhaus. Adalbert und Sophie Colsman - u. a. Stifter des Bürgerhauses - wohnten hier nach ihrer Heirat, bis zum Umzug in die Au. Adalbert war ein Urenkel des Erbauers Heinrich Lucas Hoddick.


Heinrich Lucas Hoddick (1750-1816), für ihn wurde Das Haus der Engel mutmasslich errichtet. (Pastell von Bolscheid um 1798, hängt im Saal der VG).


Das Gartenhaus ist bereits auf einem Kupferstich von 1805 zu erkennen, wenngleich der Künstler etwas überfordert war.


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manhartsberg am 14.Apr 19  |  Permalink
Vielen Dank für diese sehr interessante Dokumentation.