am "Kulturschwerpunkt in literarischer Kunst"

erbaut 1821, vor zehn jahren noch bewohnt. unsere segensreiche verwaltung hat die denkmalgeschützte immobilie über ihre tochterfirma vom stets fürsorglichen konkursverwalter gekauft und lässt sie abreissen.
kassiert im gesamtpaket dafür noch fördermittel für städtebau und denkmalschutz.
Briefkopf Koettgen & Conze um 1850
fabrikanten, erfinder, maler, dichter, spiritisten, revolutionäre und sozialisten - die wirklich spannende geschichte des hauses im 19. jahrhundert hat man verschwiegen, sich den denkmalschutz als untere denkmalbehörde selbst schnell aufgehoben. nur ein kleiner wertvollerer teil der jüngeren fabrikgebäude soll erhalten werden.

dass das haus selbst eine inkunabel der frühindustrialisierung war, die fabrikation (seidenfärberei) befand sich im untergeschoss, das kontor im erdgeschoss, blieb unentdeckt.
der rat - hat wieder nix gemerkt - ist nur abnickgremium, das von der verwaltung hinters licht geführt wird, eingeschworen auf nibelungentreue um einen nothaushalt zu vermeiden. der bürgermeister soll gesagt haben, der denkmalschutz gehe ihm am arsch vorbei.
angeblich hausschwamm, akute einsturzgefahr, und zu teuer. der alternativlose sachzwang: hier wird für die europäische wasserrahmenrichtlinie ein bach "freigelegt", der noch nie durch das haus geflossen ist.
besuch vor dem untergang: die vermauerten fenster täuschen. gerade mal der toilettenanbau ist eingestürzt, sonst alles noch äusserst stabil. bisher nur kleine, (gern gesehene?) dachschäden durch einzelne fehlende pfannen. der hausschwamm soll wohl im keller wohnen, da war kein licht. ein dümmlicher 70er-jahre-umbau im inneren und vandalismus hat vorläufig noch dem denkmal mehr geschadet als die bauschäden. dennoch etliche stuckdecken, marmor- und parkettböden gut erhalten. behauptet wurde ein totalschaden. zutritt wurde wegen angeblicher lebensgefahr niemandem mehr gewährt. haftungsrisiken, sie wissen ja.
der abbruch (november 2011) war inzwischen so radikal wie gründlich.

eine baufachliche untersuchung wurde von der unkundigen mäßig interessierten gutachterbehörde (landeskonservator) wohl nicht verlangt (gutachten: "villa mit fabrikanlage um 1860", das erbauungsdatum und die reiche geschichte des hauses wird mit keinem wort erwähnt, die literatur nicht eingesehen, geschweige denn die archive). sie argumentiert mit dem ihr berichteten schlechten bauzustand. die untere denkmalbehörde hingegen ist eine unterabteilung des amtes für stadtplanung, und wurde jetzt der wirtschaftsförderung zugeordnet. der fuchs bleibt aufseher des hühnerhofes.

im ehemaligen park sind laut bebauungsplan "stadtvillen" geplant, (gibt hier schon welche, aufgeblähte böse balkonierte walmbedachte zergaupte stüroporkarikaturen auf verbundgepflasterten abstandsflächenparkplätzen, die den qualitätvollen klassizismus berliner schule der alten fabrikantenvillen mit ihren parks hierorts verhöhnen). die stadt leidet unter abwanderung, investoren sind bisher nicht in sicht.
auf der homepage unserer gnädigen verwaltung ist über unser ehemals selbstständiges städtchen zu lesen, in dem mit öffentlicher förderung einige leerstehende läden mit gebrauchten büchern befüllt werden:
"Dem malerischen Ort wurde damit ein Kulturschwerpunkt in literarischer Kunst zugewiesen ".
vielen herzlichen dank.

an den verbliebenen säulen wird dann der rührige geschichtsverein eine informationstafel anbringen.